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We Happy Few

We Happy Few

Glückseligkeit ist nur eine Pille weit entfernt. Versprochen!

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We Happy Few hat eine seltsame Reise hinter sich. Von der begeistert aufgenommenen Ankündigung rund um den Kickstarter, dem Finden eines Publishers bis hin zur Verwandlung von einem bescheidenen, prozedural generierten Roguelike-Adventure zu einem eher traditionellen Action-Adventure, das die früheren Features jedoch beibehält.

Wellington Wells ist ein seltsamer Ort, gefüllt mit genau so viel Gefahren wie Glück. Die Geheimnisse häufen sich und die Dorfeinwohner haben kein Problem damit, sich Pillen (die sich passenderweise "Joy" nennen) einzuwerfen, um ihre Sorgen zu vergessen. Jeder, der sich dagegen sträubt, wird als "Downer" abgestempelt und muss aus dem Dorf fliehen.

Wir starten das Spiel als Arthur. Dieser arbeitet in einem Büro, dessen Aufgabe es ist, die Zeitungsartikel zu zensieren, um die Geschichten nach den Wünschen der höherrangigen Leute zurechtzubiegen. Nach einer Geschichte über seinen Bruder erwachen wir aus dem Zustand und finden uns in einer Verfolgungsjagd mit unseren Arbeitskollegen wieder, während wir versuchen zu flüchten. Doch damit fangen die Probleme erst an, als Arthur versucht, einen Weg aus dem dystopischen Albtraum zu finden und seinen Bruder Percy zu retten.

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Arthur ist der erste von drei spielbaren Charakteren (weitere erscheinen durch Erweiterungen) in We Happy Few. Die anderen beiden, Sally und Ollie, sind Bekanntschaften von Arthur und bieten neben anderen Perspektiven auch ein anderes Gameplay, da jeder Charakter seine eigenen einzigartigen Fähigkeiten besitzt.

Wo wir grade von Fähigkeiten reden: Das Erfüllen von Missionen gewährt uns Punkte, die wir in den Fähigkeitenbaum investieren können. Damit lassen sich Schleich-Fähigkeiten verbessern, es gibt mehr Gesundheit oder Vorteile im Kampf wie eine erhöhte Chance, den Gegner zum bluten zu bringen. Die Geschichte von Arthur steht im Vordergrund, ist jedoch so aufgebaut dass eine Lüge nach der anderen aufgedeckt wird und Erinnerungen zurückkehren, so dass wir oftmals versuchen, auch abseits der Hauptgeschichte durch Nebenquests so viel wie möglich herauszufinden.

Der visuelle Stil und die Präsentation des Spiels sind erstklassig. Der Stil von Großbritannien in den 1960ern gibt dem Spiel einen einzigartigen Stil, der an Bioshock und Dishonored erinnert. Das ist gut und schlecht, da We Happy Few uns nicht dieselbe Erfahrung bietet wie die beiden genannten Games. Auch der Audio-Aspekt des Spiels ist beeindruckend, während die Animationen innerhalb filmischer Sequenzen nicht mit den oben genannten AAA-Geschwistern mithalten. Die Synchronstimmen wiederum sind durch und durch stark und sorgen neben dem Soundtrack für eine Stimmung, bei der wir nicht anders können, als an "A Clockwork Orange" zu denken.

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Die Roguelike-Wurzeln sorgen dafür, dass wir kein präzises Leveldesign geboten bekommen wie in Dishonored, wodurch sich die Quests wiederum etwas mager anfühlen. Das hat jedoch den Vorteil, dass es eine Menge mehr zu erkunden und entdecken gibt, wodurch sich der Wechsel von einer Mission zur nächsten etwas schwieriger gestaltet. Wir müssen erkunden, bauen, Schatztruhen ausgraben, Essen, Wasser und Gesundheits-Items finden, in den Häusern anderer Leute herumschleichen und Vorräte stehlen. Und trotzdem Nebenaufgaben erledigen, alles um sicher zu gehen, dass wir alles haben, was wir benötigen. Der konstante Zwang zum Sammeln und Bauen ist jedoch nichts für jeden Spieler.

Ein Beispiel dafür war eine Situation, in der wir es als Arthur nach St. Georges Holm schaffen mussten. Dazu brauchten wir eine Boiler-Uniform, um über eine Brücke zu gelangen. Brücken, die anscheinend niemals funktionieren, trennen die Inseln voneinander. Doch im Wärterhäuschen werden wir mit einer Runde "Simon says" inklusive Elektroschocks überrascht.

Den Gummi-Anzug haben wir verkauft (fragt nicht!), um uns die Boiler-Uniform leisten zu können. Wir hätten sie auch herstellen können, dafür fehlten aber ausreichend zerrissene Regenmäntel. Doch der Gummi-Anzug hätte uns auch Schutz vor der Elektrizität geboten. Also müssen wir entweder einen neuen herstellen (wofür wir noch mehr Regenmäntel bräuchten) oder ihn während der Runde "Simon says" zurückkaufen.

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Wir hatten uns für die zweite Variante entschieden und merkten dadurch, wie wichtig es ist, über die langfristigen Folgen nachzudenken. Normalerweise wäre es kein Problem, irgendwelche Items, die wir früher gebraucht haben, einfach wegzuwerfen und nach vorne zu blicken. Doch in We Happy Few wissen wir niemals, ob wir ein Item später noch gebrauchen können.

Und da wäre ja noch Joy, die glückliche Pille, die die Dorfbewohner daran hindert, sich an all die schrecklichen Dinge zu erinnern. Den Krieg, die Kinder, die Deutschen, die Lügen. Wir können Joy einnehmen und an einigen Stellen sind wir sogar dazu gezwungen, um durch Tore zu gelangen oder Leute hereinzulegen. Doch neben Vorteilen gibt es auch immer Nachteile.

Der Entzug macht uns verletzlich (und schenkt uns Durst und Hunger). Zudem sind wir leicht als Downer zu identifizieren. Eine kleine Joy-Pille einzuwerfen ist also stets nur eine kurzfristige Lösung für Situationen, in denen wir uns bedeckt halten müssen. Es ist eine interessante Mechanik, doch die Dualität fehlt. Wir können uns dem Joy niemals komplett hingeben, da die Nebeneffekte zu stark sind. Doch komplett vermeiden können wir die Einnahme auch nicht. Benutzt es also wirklich nur, wenn ihr keine andere Wahl habt. Es gibt ebenfalls Pillen, die die Effekte aufheben, solltet ihr euch Joy einpfeifen.

Da wir stets unseren Hunger und Durst im Auge behalten müssen, ist We Happy Few auf eine Art und Weise auch ein Survival-Spiel. Es ist nicht all zu aufdringlich,, auch wenn das Dorf kein klares Wasser für uns bereithält (nur mit Joy getränktes). Mehr als unsere Flasche aufzufüllen und sicherzugehen, dass wir Essen besitzen und ab und zu ein wenig schlafen, verlangt das Spiel jedoch nicht von uns. Außer ihr fordert euch selbst mit einem harten Schwierigkeitsgrad heraus, in dem sich Permadeath aktivieren lässt. Eine kleine Hommage an die Rogue-Ursprünge.

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Das Entdecken von Unterkünften gewährt uns Zuflucht, einige von ihnen beinhalten kleine Puzzle-Aufgaben (oder Kämpfe), bevor wir sie verwenden können. Wir können von einer Unterkunft zur nächsten reisen, was praktisch ist, wenn wir unsere Flasche auffüllen oder unsere Kräuter im Garten-Distrikt aufstocken müssen. Hier finden wir ebenfalls Werkbänke um fortgeschrittene Items herzustellen.

Die Basis-Items sind von überall durch unser Menü erreichbar, wodurch wir Dinge wie einen Dietrich bei Bedarf mit einem Knopfdruck herstellen können. Die Benutzeroberfläche ist gut gestaltet und die Optionen des Controllers werden ausgereizt, indem wir viele Items mit nur einem Klick erreichen können. Das einzige Problem ist, dass die Items sich auf dem Steuerkreuz sehr ähnlich sehen. Das nervt vor allem dann, wenn wir uns in einer hektischen Situation befinden.

Hier und da gibt es ein paar Makel. Die prozedural generierten Welten sorgen für einige Kuriositäten. Es gibt Gassen, die ins Nirgendwo führen. Da wachsen Büsche in der Luft. Ab und zu sind wir auch auf einige Geometrie-Probleme gestoßen. Die KI ist ziemlich simpel. Wenn wir erwischt werden, dann werden unsere Gegner ziemlich aggressiv und rotten sich schnell mit anderen zusammen. Am besten bleibt ihr also versteckt oder klettert auf etwas herauf und wartet ab, solange die Gegner unten nach euch suchen. Nicht unbedingt die eleganteste Art einer Stealth-Erfahrung. Da dieser Aspekt einen großen Teil des Spiels ausmacht, ist es definitiv ein Problem.

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Wir waren außerdem enttäuscht darüber, dass die Mehrheit der Welt mit Klonen besiedelt ist. Jeder Bewohner hat einen Namen, einige haben eine Vergangenheit mit den Charakteren, die wir spielen. Doch sämtliche alte Damen ähneln sich. Klein, korpulent, mit grauen Locken. Vielleicht passt diese Einheitlichkeit ganz gut zur Thematik, doch uns störte es ein wenig, vor allem in den stark besiedelten Gegenden.

Die Kämpfe gestalten sich ein wenig simpel. Der Fakt dass der Nahkampf so seltsam und unpräzise ist, motiviert dazu, ihn weitestgehend zu vermeiden. Kämpfe sind Ausdauer-basiert und liefern damit einen taktischen Ansatz. Doch die meiste Zeit müssen wir bei einer Auseinandersetzung aggressiv vorgehen, dann fliehen, um Ausdauer zu regenerieren und das Ganze mehrmals wiederholen. Sehr merkwürdig zudem, dass wir erst eine Fähigkeit freischalten mussten, um bestimmte Gegner beim Schleichen ausschalten zu können. Wenn wir es schaffen, uns an einen Gegner heranzuschleichen, sollten wir immer belohnt werden. So werden wir jedoch bestraft, wenn wir nach einer Button-Aufforderung zum Ausschalten suchen, die niemals erscheinen wird.

Vielleicht war es der Stil des Spiels und seine seltsame Welt, die uns aufmerksam machten, was uns jedoch zum weiterspielen verleitete, war die Geschichte. Diese Art von zersplitterter Narrative geht nicht immer auf, doch während wir Dinge herstellten, Polizisten verprügelten, Flaschen mit frischen Wasser auffüllten und ein paar Joy-Pillen schluckten, trieb uns die Story vorwärts. We Happy Few mag keine geschlossene, glaubwürdige Welt erschaffen haben und die Roguelike-Wurzeln stehen manchmal dem AAA-Ansatz im Weg. Aber es ist eine einzigartige Umsetzung, die ihr genießen werdet, wenn ihr dafür einige mühsame Survival-Mechaniken und eine gewisse Anzahl Fehler und Glitches in Kauf nehmt. Ebenso wie das Joy hat eben auch We Happy Few seine positiven und negativen Seiten...

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
Originelle Idee und tolles Konzept, starke Geschichte, drei Kampagnen und eine Menge zum erkunden.
-
Stealth und Kampf sind ein wenig mager, an einigen Stellen fehlt der Feinschliff, Aufgaben können sich sehr simpel gestalten, den Survival-Aspekt zu verwalten kann mühsam sein.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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