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Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia

Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia

Shadows of Valentia ist ein packendes Strategiespiel für den 3DS, doch es ist auch ein Rückschritt für die Serie.

Fire Emblem ist eines von nur sehr wenigen Videospielen, die ich ganz gerne spiele, aber bei denen mir selbst nicht klar ist, warum sie bei mir so gut funktionieren. Die erzählten Geschichten sind okay, die meisten Charaktere niedlich, aber insgesamt ist das nichts, was mich nachts nicht schlafen lässt. Die Strategiemechanik hinter dem Spiel funktioniert ganz gut, auch wenn das System natürlich seine Grenzen hat. Die Trefferwahrscheinlichkeit ist zum Beispiel etwas, das mich im neuesten Vertreter der Serie - Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia - fast in den Wahnsinn getrieben hat. Wenn das System angibt, dass meine Einheiten mit einer Quote von über 85 Prozent treffen, sollten meine Angriffe nicht nur rechnerisch sehr viel häufiger ihr Ziel finden. Vielleicht habe ich einfach nur Pech, aber würden die Pokémon-Spiele einen ähnlichen Spielraum haben, gäbe es einen unfassbaren Aufschrei in der Community.

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Fire Emblem Echoes: Shadows of ValentiaFire Emblem Echoes: Shadows of Valentia
Hier seht ihr die großen Zeitfresser des Spiels, links einen Dungeon, rechts den taktischen Kampf.

Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia ist ein rundenbasiertes Strategierollenspiel. Viel Anteil unserer Spielzeit verbringen wir mit fordernden Taktik-Kämpfen, in denen wir mit kleinen Eingreiftruppen zahlenmäßig überlegene Armeen abwehren oder Verteidigungsringe überwinden. Das Kampfsystem ist simpel und fordernd zugleich und besteht in dieser Form schon seit den Anfängen der Serie. Die Geschichte von Echoes dreht sich um das gespaltene Land Valentia. Die Ländereien Zofia und Rigel, stellvertretend für die beiden Götter Mila und Duma, befinden sich im Krieg, der den Kontinent seit Jahrtausenden teilt und das Land in großes Leid stürzt. In der Rolle des unbescholtenen Bauernjungen Alm und seiner mysteriösen Freundin Celica werden wir Valentia ein für alle Mal aus diesem Kreislauf befreien, doch bis dahin ist es ein langer und anstrengender Weg.

In Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia steuern wir zwei Armeen gleichzeitig. Die Truppe von Alm ist vor allem für den Nahkampf ausgelegt, umfasst also Ritter, Reiter und Schwertkämpfer, Celicas Vertraute sind dank der vielen Zauberer etwas raffinierter unterwegs. Ab dem dritten Kapitel steuern wir beide Helden simultan auf der Weltkarte, die zwei Armeen wandeln allerdings auf eigenen Missionspfaden und haben generell nur wenige Schnittpunkte. Wenn eine Partei nicht mehr weiterkommt, bekommt der Spieler einen etwas ungelenken Hinweis, dass die andere Seite ihre aktuelle Aufgabe erst abschließen muss, bevor wir fortfahren.

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Das Konzept der zwei spielbaren Figuren ist auf dem Papier sicherlich interessant, spielerisch wurde die Idee jedoch nicht konsequent zu Ende gedacht. Alm und Celica sind zwei voneinander getrennte Charaktere, die zwar das Schicksal und ihre Freundschaft miteinander verbindet, die ansonsten aber voneinander unabhängig agieren. Wir teilen uns kein gemeinsames Inventar, wir dürfen ihre Einheiten nicht untereinander vermischen (um etwa die Armeen kräftemäßig auszugleichen) und sie verfolgen letztlich unterschiedliche Ziele.

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Fire Emblem Echoes: Shadows of ValentiaFire Emblem Echoes: Shadows of Valentia
Mit dem 1992 veröffentlichten Fire Emblem Gaiden hat das hier optisch nur noch wenig gemeinsam.

Intelligent Systems gelingt es einfach nicht, das Gefühl einer unmittelbaren Bedrohung oder von Zeitdruck zu erzeugen. In einer Situation etwa hört Alm Celicas Stimme, die ihn um Hilfe bittet und zu einem Anwesen führt. Dort wartet - wie soll es anders sein - ein Hinterhalt, was Alm natürlich nicht wissen kann. Wir Spieler hingegen tun das schon, denn wir treten die Kontrolle von Celica zu keinem Zeitpunkt im Spiel ab und wissen stets, dass sie in Sicherheit ist. Das ist leider nicht die einzige Situation, in der diese spezielle Art von Perspektivwechsel vorgenommen wird und nicht funktioniert.

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Im direkten Vergleich mit Fire Emblem Fates bietet Echoes: Shadows of Valentia spürbar weniger Inhalt. Das fällt vor allem im Kampf auf, denn das ist nach wie vor die Hauptbeschäftigung im neuen Fire Emblem. Die Anzahl der Klassen wurde runtergeschraubt und gefühlt ist sogar das Balancing nicht final. Bogenschützen oder Magier sind unglaublich mächtig, weil sie viele Einheiten angreifen können, ohne selbst Schaden zu erleiden, im Gegensatz zu anderen Spielen sind Fernkämpfer jedoch auch im Nahkampf überaus widerstandsfähig. Das Schere-Stein-Papier-Prinzip der Klassen ist in seinen Ansätzen erkennbar, die individuellen Werte der Einheiten grätschen hierbei jedoch ein bisschen zu stark rein und hebeln das Konzept somit aus. Einige Charaktere sind sehr viel schwächer als andere, wodurch klare Favoriten und echte Versager entstehen.

Die rundenbasierten Strategiekämpfe verlieren mit Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia einiges von ihrer Tiefe und das geht auch auf die fehlenden Einheiteninteraktionen zurück, die wir mit Fire Emblem: Awakening bekommen haben. Der Einfluss Verbündeter verschwindet damit jedoch nicht gänzlich, denn wenn sich die Leute untereinander verstehen, steigen immerhin ihre Statuswerte, sobald sie Seite an Seite kämpfen. In vorherigen Teilen konnten Einheiten zudem zwischen verschieden Angriffsarten wechseln, um klassenspezifische Schwächen zu umgehen. Das ist leider auch nicht mehr möglich, beziehungsweise kommen erst sehr spät im Spiel vereinzelte Figuren in den Genuss, Nah- und Fernkampf zu kombinieren. Echoes of Valentia reduziert die Komplexität der Serie deutlich, doch auch das künstlich verkleinerte Erlebnis bietet schon ordentlich Spieltiefe. Nur ob das Veteranen der Serie reicht, das ist letztlich die Frage.

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Fire Emblem Echoes: Shadows of ValentiaFire Emblem Echoes: Shadows of Valentia
Die Gespräche mit den Charakteren sind toll geworden und verraten und peu á peu weitere Details über die Figuren.

Was Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia sehr gut gelingt, ist die große Vielfalt unter den Kämpfern. Auch nach 25 Stunden werden noch neue Figuren eingefügt, die sich interessant und lebendig anfühlen und frischen Wind in die Truppe bringen. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht nicht nur die Diversität unter den Charakteren, sondern auch der große Detailreichtum, das Intelligent Systems investiert hat. In den vielen Gebieten, in denen nicht gekämpft wird, erfahren wir tolle Details über die Vergangenheit unserer Gefährten. Da diese Informationen bröckchenweise und nicht in einem Fluss kommen, entdecken wir immer wieder neue Seiten an diesen treuen Verbündeten.

Die zwischenmenschliche Komponente ist besonders ausgeprägt in den Gesprächen befreundeter Einheiten auf dem Schlachtfeld - eines der Highlights der Fire Emblem-Serie. Shadows of Valentia ist herrlich absurd in der Darstellung von Freundschaften und Rivalitäten und es ist ein großer Spaß, daran teilzuhaben. Dass wir uns eigentlich im Krieg befinden und potentiell in echter Gefahr stecken, merkt man nicht allen Personen an, wenn diese über die große Liebe, von ungleichen Behandlungen oder gemeinsamen Trainingslektionen sprechen. Dieses Element ist so wunderbar verrückt, dass ich es auch nicht vermissen möchte.

Neben den Beziehungen und Freundschaften wachsen auch die Figuren mit der Zeit über sich hinaus. Jede offensive Aktion belohnt die Soldaten mit Erfahrungspunkten, doch in den Kämpfen geht es vor allem darum, wer den entscheidenden Treffer landet und eine neue Stufe erhält. Hat jemand genügend Kenntnisse gesammelt, darf sie oder er am Schrein von Mila zu einer neuen Klasse aufsteigen.

Die Dungeons sind eines der neuen Features von Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia und eine willkommene Abwechslung für die Reihe. Mit bis zu zehn Verbündeten dürfen wir alte Katakomben, vermoderte Höhlensysteme oder magische Wälder in der Third-Person-Perspektive erkunden und unter anderem auf Schatzsuche gehen. Die Dungeons sind gespickt mit kleineren Rätseln, Geheimnissen und Gegnern. Wir sollten dabei aufpassen, nicht jeden Kampf mitzunehmen, da sich unsere Truppe nach und nach verausgabt, was ihre Effektivität in kommenden Auseinandersetzungen stark einschränkt und sie einem hohen Risiko aussetzt. Diese neue Perspektive ist in eine Bereicherung für die Fire Emblem-Serie und eine gute Gelegenheit, zusätzliche Erfahrungspunkte oder neue Ausrüstungsgegenstände zu erhalten.

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Die aufwendig gestalteten Anime-Sequenzen sind ein optischer Hingucker.

In den Dungeons nervt allerdings die fehlende Speichermöglichkeit. Das Gebiet muss komplett abgeschlossen werden, sonst gibt es keinen Fortschritt. Das wird vor allem gegen Ende des Spiels eine anstrengende Angelegenheit, da die Areale größer ausfallen, das Gegneraufkommen steigt und Kämpfe in der Regel komplizierter werden. Frust kann auch aufkommen, weil sich das Spiel nicht merkt, dass Gegenstände fallengelassen wurden. Wenn wir etwas in den Kisten, Vasen oder Schatztruhen der Dungeons finden, müssen wir das Item sofort einsammeln. Doch die schwammige Steuerung und die vielen Gegner, die bei Blickkontakt auf uns zustürmen und einen Kampf beginnen, sorgen manchmal dafür, dass ein Objekt für immer verloren ist. Die einzige Lösung ist das Laden des letzten Speicherstandes - und das tut manchmal ziemlich weh.

Die Fire Emblem-Serie ist auch dafür bekannt, dass sie sehr konsequent das Permadeath-Feature anwendet und wer diese Option in sein Spielerlebnis integrieren möchte, verliert bei Fehlern und Fehlentscheidungen die liebgewonnen und mühsam aufgerüsteten Einheiten. Die späteren Klassen sind so unglaublich mächtig, dass der Verlust einer einzigen Figur einfach nicht wieder aufzuholen ist, deshalb kommt uns das Spiel dort ein bisschen entgegen. Wenn uns in einem Kampf jemand wegstirbt, dürfen wir mit Milas Zeitenrad zu einem früheren Zeitpunkt der Schlacht zurückkehren und die Dinge anders angehen. Dieses Feature ist pro Kampf beschränkt, also nicht unendlich oft einsetzbar. Wenn auch das nicht ausreicht, um eine Situation zu retten, bleibt uns nur der Software-Reset als letzten Ausweg.

Wer in der Stadt fleißig mit allen Leuten spricht, schaltet immer mal wieder neue Quests frei. Diese optionalen Beschäftigungen sind eine gute Gelegenheit, um an seltene Verbrauchsgegenstände oder an Silber zu gelangen, das wir für das Aufrüsten unserer Waffen und Schilde benötigen. Damit holen wir das Maximum aus unseren Elite-Einheiten heraus, allerdings verstecken sich hinter dieser Komponente immensen Kosten, die ganz offensichtlich in einem einzigen Spieldurchlauf nicht aufzutreiben sind. Angesichts der geplanten DLC-Pläne (die sehr offen mit den entsprechenden Währungen locken), hinterlässt das einen komischen Nachgeschmack.

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Alm und Celica sind zwei tolle Hauptcharaktere, doch die Idee mit den zwei getrennten Armeen geht nicht richtig auf.

Optisch macht Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia zwar einiges her, allerdings bewegt sich die Präsentation seit Jahren auf dem ruhigen, reduzierten Design von Awakening, das nur in den Kampfanimationen kurz mit actionreichen Kamerafahrten aufgebrochen wird. Dort fällt auch am ehesten auf, wie stark sich Animationen und Tonsequenzen wiederholen, weshalb man irgendwann einfach die Kopfhörer ausstöpseln will. Einige der Synchronstimmen mag ich wirklich sehr, deshalb ist es toll, dass das Spiel vollkommen in englischer Sprache vertont wurde. Ich finde es nur so langweilig, dass viele Orte im Spiel mehrmals eingesetzt werden.

Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia ist eigentlich nur eine Neuauflage vom zweiten Teil der Serie, Fire Emblem Gaiden. Das Teil erschien vor 25 Jahren auf dem Famicon und wurde außerhalb von Japan nie vertrieben, jetzt hat Nintendo diesen alten Klassiker für ihre 3DS-Handheldfamilie neu aufbereitet. Shadows of Valentia sieht schick aus, spielt sich gut und macht einen moderaten Eindruck, doch inhaltlich hat sich seit Fire Emblem: Awakening einfach zu viel getan, um die vielen Rückschritte zu rechtfertigen. Dass ich trotzdem 40 Stunden mit dem Spiel verbracht habe, zeigt wie gut die Serie ist und auch wie stark die Wurzeln sind. Wer allerdings noch Fire Emblem Fates im Regal liegen hat, der kann Valentia ruhigen Gewissens überspringen.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
Tolle Charaktere mit vielen verstreuten Details; Zeitloses Strategie-Gameplay; Zweifrontenkrieg; exzellente Lokalisierung; Milas Zeitenrad ist eine schlaue Ergänzung der Serie.
-
Musik und Optik wiederholen sich zu stark; Einzelne Charaktere hebeln das Schere-Stein-Papier-Prinzip aus; Dem Kampf fehlt es an Tiefe, da etliche taktische Kniffe entfernt wurden.
overall score
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