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Diablo III

Diablo III

So lange haben wir auf Diablo III warten müssen und auch anfängliche Serverprobleme können die Freude über diesen riesigen Titel nicht zerstören. Denn wer erst im Spiel ist, den lässt es auch so schnell nicht wieder los.

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Es ist erstaunlich, wie schnell die Stimmung in den Schlagzeilen kippen kann. Noch an einem Tag ist Diablo III ein hochgejubeltes Spiel, am nächsten Tag der Prügelknabe der Presse und der Nutzer. Es ist für Videospiele als Kulturgut schon traurig genug, wenn die Technik das Spielerlebnis stört oder gar zerstört. Katastrophal ist es, wenn sie es uns völlig verwehrt.

Mit der dauerhaft benötigten Internetverbindung findet sich sich der größte Nachteil von Diablo III auf der rein technischen Ebene. Das ist der Aspekt eines Spiels, um den sich die Spieler eigentlich nicht sorgen sollten. Der Bereich, den wir bei der Beurteilung eigentlich hinter uns lassen sollten. Doch der Gedanke daran, dieses Spiel nicht überall spielen zu können, ist einfach mehr als befremdlich. Spielen im Zug oder Flugzeug fällt flach. Mein Laptop wird zum stationären PC ... doch nun zum eigentlichen Spiel.

Was nützt es, über ein Spiel zu schreiben, über das sowieso jeder bestens Bescheid weiß? Über Diablo III zu schreiben, bedeutet nicht zu beschreiben, sondern zu beurteilen, zu bewerten und das zu begründen. Knapp ein Jahr ist es her, dass ich Diablo III auf der Gamescom gespielt habe und es ist beeindruckend, was sich in dieser Zeit an grundlegenden Eigenschaften geändert hat.

Diablo III
Im Koop werden nun alle Gegenstände für jeden Spieler individuell gedropt.
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Die Fachpresse war in letzter Zeit voll von vorwurfsvollen Artikeln, in denen die großen und zahlreichen Änderungen angeprangert wurden. Ich kann nicht verstehen, wie man so denken kann. Ein Spiel ist kein Flughafen, der zu einem bestimmten Termin fertig werden muss. Ich bin sehr froh, dass Blizzard sich hier die Zeit gelassen hat, um ein fertiges und durchdachtes Spiel abzuliefern. Das Warten hat sich jedenfalls gelohnt.

Die für mich wichtigste Neuerung dem Vorgänger gegenüber ist, dass im Koop alle Gegenstände für jeden Spieler individuell gedropt werden. Dieses panische Rumgeklicke aus dem Vorgänger, bei dem versucht wurde, so viele Habseligkeiten wie nur möglich zu ergattern, war mir einfach zuwider. Diese Gier, die zwangsweise an Wühltische im Schlussverkauf erinnert, entwickle ich nur sehr ungern.

Es sorgte dafür, dass die eigentlichen Gefährten zu Konkurrenten wurden. Zu dem Gedanken eines kooperativen Spiels passt das wenig. Dieser Wandel zeigt sich in Diablo III ganz deutlich. Es ist sehr auffällig, wie viele Gegenstände wir erhalten, die für uns völlig nutzlos, aber für einen Kameraden äußerst hilfreich sind. Das nervige Rumgeklicke wird darüber hinaus durch das automatisierte Einsammeln von Gold unterbunden.

Diablo III
Das nervige Rumgeklicke wird durch das automatisierte Einsammeln von Gold unterbunden.
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Auffällig ist allerdings, dass das Spiel im Koop nicht proportional zur Gruppenstärke schwerer wird. Vielleicht tut es das in bloßen Zahlen ausgedrückt, doch die sich ergänzenden Fähigkeiten machen die Angelegenheit deutlich leichter, als sie sein sollte. Das ist in den ersten beiden Akten ganz besonders spürbar. Selbst der beliebte Schlächter aka The Butcher war ohne große Mühe im Handumdrehen zerlegt.

Einer friert ihn ein und haut drauf, der andere heilt das Team und haut drauf und ein anderer wiederum haut vielleicht nur drauf. Selbstverständlich ist das nichts überraschendes, sondern Arbeitsteilung wie sie im Spiel aussehen sollte. Die Auswirkungen auf den Schwierigkeitsgrad allerdings sind aber doch zu drastisch. Dass uns die Flammen, die unter uns immer wieder aufloderten, bei diesem Zwischengegner die Arbeit erschweren sollten, war mir und meinen Gefährten reichlich egal.

Verabschieden sich die Kollegen dann doch irgendwann mal in die Nachtruhe, wird es plötzlich ungewohnt aufregend, wie ich selbst feststellte. Als ich meinen Zauberer erstmals ohne die Begleitung durch die Gegend führte, bekam dieser ganz fürchterlich aufs Maul. Kein Wunder, schließlich war er ja plötzlich das einzige Ziel. Ein wenig Feinjustierung in den Fähigkeiten machte mich zwar schwächer, dafür aber deutlich robuster. Vor allem deutlich robuster, als es im Koop jemals nötig gewesen wäre.

Der Fähigkeiten-Baum gehört zu den meistdiskutierten Features von Diablo III. Anders als im Vorgänger bauen wir unsere Fähigkeiten nicht selbst aus, sondern jeder Charakter entwickelt sich auf die selbe Weise. Auch die einzelnen Fähigkeiten bauen sich immer gleich aus. Wir entscheiden nur, welche Fähigkeiten wir benutzen. Hier bekommt der Vorwurf, das Spiel sei zu sehr auf die Casual-Gamer zugeschnitten, noch das meiste Futter.

Fakt ist: Uns wurde eine große Sorge abgenommen. Lange Spielpausen, in denen über die Vergabe der wertvollen Punkte nachgedacht wurde, gibt es nicht mehr. Dafür ist man besonders im Team sehr dankbar. Dass hier zwar ein Stück Freiheit, Individualität und damit auch Wiederspielwert verloren gegangen ist, ist ein verständlicher Kritikpunkt. Das flüssigere Spielerlebnis hat allerdings deutlich mehr Gewicht. Diablo III ist einfach deutlich angenehmer zu spielen als der Vorgänger.

Diablo III
Lange Spielpausen, in denen über die Vergabe der wertvollen Punkte nachgedacht wurde, gibt es nicht mehr.

Im Grunde genommen ist es aber eigentlich völlig egal, wie Diablo III funktioniert. Denn das, was das Spiel so fesselnd macht, sind weder Steuerung, noch Fähigkeiten, noch Charaktere. Innere Werte interessieren hier nicht. Diablo III ist wie ein Fotomodel, bei dem es scheißegal ist, ob es bis drei zählen kann. Es ist diese unheimlich dichte und packende Atmosphäre, die das Spiel erschafft. Zu beschreiben, woran das liegt, ist genau so schwer wie leicht zu beantworten. Es ist einfach alles, was unser Auge berührt oder was an unser Ohr dringt, was diese Welt hinter dem Bildschirm zu einer perfekten Illusion werden lässt.

Das fängt schon bei den Dialogen an. In der deutschen Fassung ist die Dichte an bekannten Synchronstimmen so hoch wie in kaum einem anderem Spiel und das Voice-Acting ist so überzeugend, wie es nur sein kann. Die Zwischensequenzen, ob nun animiert oder im sehr schicken Zeichenstil, treiben die Geschichte zudem auf der filmreife Weise voran. Schön ist auch, dass uns die Geschichte für jeden Charakter immer etwas anders erzählt wird. Der Gedanke daran, das Spiel mehrmals zu beginnen, liegt jedenfalls nie sonderlich fern.

Auch Kleinigkeiten in Sachen Sound bereichern das Spielgefühl. Beispielsweise wenn die Stimmen sich unterhaltender Personen vom einen zum anderen Lautsprecher wandern, während wir an ihnen vorbei gehen. Die vielen leisen Klänge, die in den Dungeons aus der Ferne zu uns dringen, sorgen für echte Gänsehaut. Die gellenden Schreie des Hexendoktors erschreckten sogar mich. Die fantastische Musik und die vielen Klänge, die aus den Vorgängern übernommen wurden, runden die Akustik ab.

Diablo III
Alles um uns herum wirkt plastisch, so greifbar, dass die für Distanz sorgende isometrische Perspektive völlig vergessen wird.

Am wichtigsten für die Atmosphäre ist aber das Erscheinungsbild des Spiel. Wie sich Grashalme im Wind bewegen. Wie die Inneneinrichtung von Kerkern auseinander fällt, wenn wir auf sie einprügeln. Alles wirkt so durchdacht. Alles um uns herum wirkt plastisch, so greifbar, dass die für Distanz sorgende isometrische Perspektive völlig vergessen wird. Die unheimlich schicken Effekte unserer Fähigkeiten, die ganz gerne Mal nur zum Genießen abgefeuert werden, seien hier nur am Rande erwähnt.

Am schönsten an der morbiden und düsteren Atmosphäre ist, dass sich das Spiel trotzdem nicht zu ernst nimmt. Recht früh finden wir beispielsweise in einer Hütte einen Mann, der sich um seine längst verweste Mutter im Schaukelstuhl kümmert. "Meine Mutter ist schon eine ganze Weile krank", sagt er. Eine sehr witzige Anspielung an den Hollywood-Klassiker Psycho. Doch das ist keine Ausnahme, das Spiel ist voll davon.

Das Gemecker über den vereinfachten Fähigkeiten-Baum ist in meinen Augen - mit Verlaub - einfach Nerd-Gequatsche. Die, die sich darüber am meisten beschweren, haben das Spiel am intensivsten gespielt. Und das entscheidende daran ist: Sie haben es trotzdem genossen und werden es noch eine ganze Weile tun. Denn Diablo III macht süchtig.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
Sehr dichte und packende Atmosphäre, hübsche Sound- und Grafik-Effekte, fantastische Musik, vereinfachtes Fähigkeiten-System, sehr schönes Storytelling.
-
Dauerhafte Internetverbindung, zu großes Schwierigkeitsgefälle zwischen Single- und Multiplayer
overall score
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