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Call of Cthulhu

Call of Cthulhu

Wer sich schon lange auf ein neues Spiel im Lovecraft-Universum gefreut hat, der muss mit Call of Cthulhu einige Patzer akzeptieren.

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1924, Boston. Privatdetektiv Edward Pierce durchlebt erneut einen seiner fiebrigen Albträume und wacht schweißgetränkt auf. Immer wieder suchen ihn Visionen von düsteren Orten und merkwürdigen Gestalten heim. Der regelmäßige Konsum von Alkohol und Schlaftabletten verbessern seinen geistigen Zustand nicht unbedingt. Ein Mann sucht den Rat des Detektiven, bittet ihn, den Tod der Hawkins-Familie auf der Insel Darkwater nachzugehen. Es dauert eine Weile, doch Pierce nimmt den Fall an und macht sich auf den Weg zur abgeschotteten, verregneten Insel.

Eine Entscheidung, die der Privatdetektiv schon bald bereuen wird. Auch uns als Spieler wird schnell klar, dass neben dem Gestank eines verrottenden Walkadavers, einer von vielen, der in letzter Zeit an die Insel gespült wurde, noch etwas anderes auf der Insel faul ist. Die Einwohner könnten nicht unfreundlicher sein. Seltsame Gestalten hausen an der Bar und auch die Polizei zeigt sich widerwillig, uns dabei zu helfen, den Hawkins-Fall neu aufzurollen.

Der öffentlichen Meinung zufolge kam die gesamte Familie Hawkins (Mutter, Vater, Kind) bei einem Hausbrand ums Leben. Doch kurz nach dem Tod von Sarah Hawkins erhält ihr Vater ein verstörendes, von seiner Tochter gemaltes Gemälde. Weitere Ereignisse in Darkwater machen klar, dass irgendetwas mit Sarahs Kunstwerken nicht stimmt. Und so machen wir uns auf die Suche nach weiteren Hinweisen. Schon bald bemerken wir jedoch, dass der Fall weit über unsere Kompetenz als Privatdetektiv hinausgeht.

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Bereits psychisch labil, bevor er auch nur einen Fuß auf die Insel gesetzt hat, stößt Pierce innerhalb von 14 Kapiteln immer häufiger auf Ereignisse und Objekte, die seinem geistigen Zustand schwer zusetzen. Je nachdem, wie wir handeln, können die Traumata stärker oder schwächer ausfallen. Auch das Wissen über den Okkultismus und wie dieser in den Hawkins-Fall passt hat seinen Preis. Je mehr wir über die Geschehnisse lesen und uns mit anderen darüber austauschen, desto stärker ist Pierce von der Existenz der unaussprechlichen Mächte überzeugt.

Auch sonst lässt uns das Wer der Cyanide Studios viel Entscheidungsfreiheit, in welche Richtung wir das Schicksal des Privatdetektiven lenken wollen. Geben wir uns dem Kult hin und studieren seine Aufzeichnungen? Vertrauen wir den Charakteren, die uns im Laufe des Spiels begegnen und erhalten zuverlässige Verbündete? Das Vorgehen sollte gut durchdacht sein, denn ein kleines Symbol der kosmischen Kreatur am oberen Bildschirmrand teilt uns nach getroffenen Entscheidungen stets mit: „Dies wird dein Schicksal verändern."

Wie bereits erwähnt treffen wir im Laufe des Spiels auf einige Charakter, die uns bei der Aufklärung der Ereignisse zur Seite stehen. Die Dynamik zwischen den verschiedenen Charakteren und Pierce fühlt sich gut an. Innerhalb der zwölf Stunden, die ich mit dem Spiel verbrachte, entwickelten sich diese von dubiosen Gestalten zu vertrauenswürdigen Freunden. Auch wenn uns unsere Psyche etwas anderes erzählen möchte. Ab der Hälfte des Spiels bemerken wir immer mehr die Auswirkungen der Geschehnisse auf Pierce. Wirre Halluzinationen treten regelmäßiger auf, nach und nach fällt es schwer auseinanderzuhalten, was allein im Kopf von Pierce geschieht und was real ist. Zudem schlüpfen wir hin und wieder in die Rolle der anderen Charaktere, verfolgen ihr Schicksal und erfahren, wie diese in die okkulten Ereignisse verwickelt sind.

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Der Zerfall der menschlichen Psyche steht in vielen Geschichten von Lovecraft im Vordergrund. Die alten Entitäten, mit denen es die Protagonisten in den Büchern zu tun haben, sind schlichtweg zu viel für den menschlichen Geist. Sie treiben einen in den Wahnsinn. Auch wir werden nicht von der unaussprechlichen Macht der Kreaturen verschont. Besonders gelungen ist Cyanide Studios die Verwandlung eines zurechnungsfähigen Menschen in einen Protagonisten, dem wir als Spieler nicht länger vertrauen können.

Pierce trifft andere Entscheidungen, als wir sie ausgewählt haben. Die Dialog-Optionen sprechen plötzlich in der dritter Person und im Hintergrund hören wir immer wieder verschiedene Versionen von Pierces Psyche, die uns von etwas anderem überzeugen will. Je mehr sich unser Zustand verschlechtert, desto häufiger haben wir die Option in Dialogen, in „R'lyehian" zu antworten, der Sprache der alten Götter. Lesen können wir diese jedoch nicht, so dass wir nie wissen können, was für Konsequenzen diese Antwort haben mag.

Narrativ und atmosphärisch haben Cyanide Studios mit Call of Cthulhu also einen Volltreffer gelandet. Umso ärgerlicher ist es, dass einige Probleme auf technischer und spielerischer Ebene die tolle Inszenierung stellenweise zerstören.

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Es wirkt fast so, als wollten die Entwickler so viele Elemente wie möglich in das Spiel hineinbringen. Da gäbe es die klassischen Detektiv-Mechaniken wie das Rekonstruieren einer Szene, Schleich-Sequenzen, Puzzle-Mechaniken. An einer Stelle werden wir sogar mit einer Waffe ausgerüstet. So löblich die Vielfältigkeit der Mechaniken auch sein mag, so hätte es dem Spiel besser getan, wenn wir uns mit Pierce auf einige wenige Fähigkeiten beschränkt hätten. Die Schleich-Sequenzen wirken aufgrund mangelnder Versteckmöglichkeiten und einer Künstlichen Intelligenz, die uns auch gerne mal durch eine Kiste sieht, etwas holprig. Beim Ausrüsten der Waffe wäre eine Anzeige der verbleibenden Munition dringend notwendig.

In Verbindung mit den gut ausgearbeiteten Charakteren hätte ich mir persönlich lieber weitere Fähigkeiten gewünscht, die das Können von Pierce als Privatdetektiv unter Beweis gestellt hätten. Etwa das Kombinieren von Hinweisen oder eine tiefgründige Charakteranalyse à la L.A. Noire. Zudem wird die Authentizität der Charaktere in den Videosequenzen durch schlechte Gesichtsanimationen und merkwürdige grafische Fehler untergraben. Besonders merkwürdig ist das Ganze, weil die Animationen und Grafik im Spiel selbst vollkommen in Ordnung sind.

Cyanide Studios haben es wunderbar geschafft, das Unaussprechliche, den Wahnsinn und die düstere Atmosphäre einer Lovecraft-Geschichte in einem Videospiel umzusetzen. Auf Seiten des Gameplays und des Visuellen gibt es jedoch einiges zu bemängeln: Einige Spielmechaniken fühlen sich halbfertig an, Filmsequenzen wirken unpassend und die Gesichtsanimationen lassen zu wünschen übrig. Wer sich schon lange auf ein neues Spiel im Lovecraft-Universum gefreut hat, der muss mit Call of Cthulhu einige Patzer akzeptieren. Doch wenn es um die geschichtliche und atmosphärische Umsetzung geht, dient Cyanide Studios Spiel von nun an als Vorbild für kommende Ableger, die uns in die Welt der alten Götter werfen.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
Charakterwechsel erzeugt gute Dynamik, allgemein gut ausgearbeiteter Charakter, schöne Inszenierung im gesamten Spielverlauf, Lovecraft-Wahnsinn wird wunderbar spielerisch umgesetzt
-
Einige Mechaniken mangelhaft umgesetzt, Framerate-Einbrüche, sehr merkwürdige Videosequenzen
overall score
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